Politikwissenschaftlerin: Christen sollen sich mehr in Politik einmischen
Salzburg, 09.08.2025 (SHW) Zu einem verstärkten politischen Engagement von Christinnen und Christen hat die Göttinger Politikwissenschaftlerin Prof. Tine Stein aufgerufen. In einer Zeit, in der Demokratien unter Druck geraten und vermehrt von einem autoritären Populismus herausgefordert würden, brauche es "resiliente Demokratien", die sich aktiv gegen die Versuche ihrer Zerstörung zur Wehr setzen. Auch brauche es Bürgerinnen und Bürger, die ein "demokratisches Ethos" hochhalten und die Demokratie verteidigen, sagte Stein bei einem Vortrag am Samstag in Salzburg. "In den Polykrisen der Gegenwart braucht es eine politisch aktive republikanische Haltung der Bürger" - und Christen, die der "apokalyptischen Stimmung" mit Gelassenheit entgegentreten und für eine neue "Vertrauenskultur" werben, so Stein.
Stein referierte am Freitag und Samstag im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen", die heuer noch bis 10. August unter dem Titel "Was uns leben lässt ... und was uns (vielleicht) vergiftet" stehen. Den Abschluss der Sommeruniversität bildet am Sonntag ein Akademischer Festakt mit einem Vortrag des deutschen Politikers Armin Laschet.
Gegenüber der apokalyptischen Gestimmtheit in den öffentlichen Diskursen seien Christen aufgerufen, ein erweitertes biblisches Verständnis von Apokalyptik einzubringen. Apokalyptik meine nämlich eine "Zeitansage" und den Hinweis, dass eine "Zeitenwende" bevorstehe, die jedoch nicht schicksalshaft hereinbreche, sondern nach Gestaltung verlange. Leitend sollte hier ein Beharren auf der Gleichheit und Würde aller Menschen sein, so die Göttinger Politikwissenschaftlerin. "Das können Christinnen und Christen vermitteln und vorleben, indem sie sich politisch einmischen."
Versagen der Politik bei Bearbeitung der Krisen
Den Grund für die Angriffe auf die Demokratie in vielen Ländern machte Stein in der ausgebliebenen oder verschleppten Bearbeitung der Vielfachkrisen der Gegenwart aus. Nicht nur die Klimakrise, auch der Niedergang öffentlicher Infrastruktur und ein Versagen in der Sicherheitspolitik hätten durch die fehlende Bearbeitung und "kurzsichtige" politische Entscheidungen zum Aufstieg eines autoritären Populismus geführt, der letztlich auf eine Umwandlung der Demokratie in ein autoritäres Regime ziele. Befördert werde dies durch einen tiefgreifenden Vertrauensverlust in die Lösungskompetenz demokratischer politischer Prozesse insgesamt und eine "Erosion des Zukunftsvertrauens".
Dagegen gelte es, ein Bewusstsein der politischen Gestaltbarkeit wiederzugewinnen und zu unterstreichen, dass demokratisch verfasste Staaten immer noch "die beste Ordnungsform darstellen, gesellschaftliche Konflikte zu lösen und mit den Herausforderungen der Gegenwart umzugehen", so Stein. Schließlich seien Demokratien zum einen "wehrhaft", insofern sie über rechtliche Möglichkeiten ihrer Verteidigung verfügen (etwa Parteienverbote), andererseits seien Demokratien offen für Transformationen und also Veränderungen.
Ewald Frie, Tine Stein, Martin Dürnberger
Faktoren zur Stärkung einer resilienten Demokratie
Faktoren zur Stärkung der demokratischen Resilienz machte Stein abschließend etwa in einer gerechten Weiterentwicklung des Steuersystems aus sowie in einer Weiterentwicklung der in Deutschland ausgesetzten Wehr- hin zu einer allgemeinen Dienstpflicht - ob zivil oder militärisch. Im Bereich des Bildungswesens müsse Medienkompetenz deutlich forciert werden - und auch der Katastrophenschutz mit regelmäßigen Übungen könne in Schulen dazu beitragen, durch Einübung von Verhaltensweisen im Katastrophenfall diesen die Bedrohlichkeit zu nehmen.
Text & Fotos: Dr. Henning Klingen