Theologen: Kirchenräume sollten zu Lebensräumen werden
Salzburg, 07.08.2025 (SHW) Kirchenräume sind nicht nur Orte des Gebets, der Stille und für nicht wenige Menschen auch noch Orte der Beheimatung - sie können auch zu "Lebensräumen" werden, wo sie sich mutig öffneten, neue gestalterische Wege wagten und wo sie Ausdruck einer Kirche werden, die sich insgesamt wandelt: darin zeigten sich die Teilnehmenden einer Podiumsdiskussion am Mittwoch in Salzburg einig. Im Rahmen des gemeinsam von "Salzburger Hochschulwochen" und "Christ in der Gegenwart" veranstalteten Diskussionsformats "Theologie konstruktiv: Eine Kirche, die mehr leben lässt?!" debattierten der frühere Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, der Generalvikar der Erzdiözese Salzburg, Harald Mattel, sowie die Leiterin des Österreichischen Pastoralinstituts (ÖPI), Gabriele Eder-Cakl, miteinander.
Werlen plädierte für eine radikale Abkehr einer seines Erachtens überkommenen Kirchenraumgestaltung. "Wir sollten nicht mehr von der Kirche und ihren Räumen her denken, sondern vom Menschen und dem Schrei der Menschen nach Leben", so sein Plädoyer. Er habe den Eindruck, dass sich Kirche zu sehr auf die "Bestandswahrung" konzentriere und "zu wenig bei den Menschen" sei. "Manchmal fühle ich mich wie der verlängerte Arm des Denkmalamtes. Dabei ist Kirche nur Kirche, wenn sie die Schreie der Menschen nach Leben hört." In der Propstei St. Gerold/Vorarlberg, die Werlen seit dem Jahr 2020 als Propst leitet, habe man daher auch den Kirchenraum radikal umgestaltet, Bänke gegen Stühle getauscht und den Altarraum verändert. Manchmal seien es nur kleine Akzente, die Menschen dazu bringen würden, "plötzlich wieder aufzuatmen in einer Kirche".
Gabriele Eder-Cakl, ÖPI
Die Leiterin des Österreichischen Pastoralinstituts (ÖPI), Gabriele Eder-Cakl, unterstrich die Reformnotwendigkeit der Kirche, betonte aber zugleich, dass der von Papst Franziskus begonnene und von seinem Nachfolger Papst Leo XIV. fortgeführte "Synodale Prozess" der richtige Weg sei, um zu einer Kirche zu werden, "die mehr leben lässt". Zuversichtlich stimme sie dabei gerade das Zeugnis so vieler junger Menschen, die in den vergangenen Wochen in Rom im Zuge des "Jubiläums der Jugend" ein eindrucksvolles Zeugnis ihres Glaubens gegeben hätten. Die "Sehnsucht nach einem erfüllten Leben, nach echter Liebe" bringe etwa eine wachsende Zahl der 15-25-Jährigen dazu, sich taufen zu lassen. Zugleich spüre sie "große Angst vor allem in den Kirchenleitungen vor Veränderungen".
Ein Problem sieht Eder-Cakl allerdings bei aller Begeisterung, die ihr auch seitens junger christlicher Influencer - in Rom nahm sie an einem Treffen von 1.000 solcher Influencer teil - entgegenschlug, in teils bedenklichen religiösen Grundhaltungen innerhalb dieser Gruppe. "Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass es in dabei auch fundamentalistische Personen und Gruppen bis hin zu rechtsextremen gibt, die in allem päpstlicher sein wollen als der Papst und anderen Menschen das Katholisch-Sein absprechen." Hier gelte es jedoch, beständig den Dialog zu suchen und diesen nicht abzubrechen.
Auf die positiven Erfahrungen, die die Umsetzung synodaler Prozesse bis hinein in die Pfarren mit sich bringen, verwies der Generalvikar der Erzdiözese Salzburg, Harald Mattel. Durch ein bewussteres Aufeinander-Hören und die gemeinsame Suche nach Wegen in die Zukunft entstehe eine Art "Theologie der Vorläufigkeit", die Menschen neu für Kirche begeistere. Wenn dies gelinge, werde Kirche auch wieder neu zur Heimat. Bei all dem werde sichtbar: "Kirche ist immer mehr als nur ihre Gebäude."
Text & Fotos: Dr. Henning Klingen