Theologin: Missbrauch ist zentral ein Problem "toxischer Theologien"
Salzburg, 04.08.2025 (SHW) Das Problem des sexuellen und spirituellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ist zentral auch ein Problem "toxischer" bzw. "vulneranter" (verletzender) Theologien: Das hat die Regensburger Theologin Prof. Ute Leimgruber bei einem Vortrag am Montag an der Universität Salzburg betont. Leimgruber, die u.a. die Website www.missbrauchsmuster.de betreibt, referierte im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen", die heuer unter dem Generalthema "Was uns leben lässt ... und was uns (vielleicht) vergiftet" stehen. Missbrauchstäter würden sich immer wieder auf theologische Begründungsmuster stützen. Letztlich sei keine Theologie davor gefeit, "toxisch zu werden", so Leimgruber. "Theologien sind nicht einfach unschuldig. In der Hand von Tätern können sie zur Waffe werden."
Dass es sich beim Thema Missbrauch um ein tiefgreifendes, nicht nur auf Einzeltäter reduzierbares Phänomen handle, sei spätestens seit Bekanntwerden der Fälle sexuellen Missbrauchs im Canisiuskolleg in Berlin 2010 sowie der MHG-Studie von 2018 klar geworden. Auch hätte eine Publikation von 2020 verdeutlicht, dass die Täter sich nicht auf eine Gruppe homosexueller Pädophiler reduzieren lasse und auch unter den Opfern nicht nur minderjährige männliche Opfer seien, sondern auch Frauen.
In den Gesprächen mit Opfern habe sich gezeigt, wie sehr theologische Motive von Tätern genutzt würden, um ihre Taten anzubahnen, zu rechtfertigen und den Missbrauch gar auf Dauer zu stellen. Konkret hätten sich fünf zentrale Bereiche gezeigt, wo Theologien "toxisch" werden könnten: Im Bereich der Schriftauslegung würden Täter etwa Bibelstellen "strategisch instrumentalisieren", um damit ihre Taten zu erklären oder zu rechtfertigen. Theologische Aussagen wie "Gott ist Liebe" würden nicht selten von Priestern auf ihr eigenes stellvertretendes Handeln am Opfer interpretiert bzw. der Missbrauch als Ausdruck tätiger Liebe Gottes erklärt.
Besonders häufig komme es laut Zeugenaussagen zu Anbahnungen wie zu Übergriffen im Bereich der "pastoralen Praktiken" - also von geistlicher Begleitung bis zur Beichte -, erklärte die Theologin. "Intime Gesprächssituationen wie jene der Beichte bringen ein erhöhtes toxisches Gefährdungspotenzial mit sich." Oft würden Priester ihr eigenes Handeln auch als Handeln "in persona Christi" erklären: "Eine fatale Verschiebung: Der Täter wird zu Gott und Gott zum Täter gemacht - und gegen den lehnt man sich als Opfer nicht auf."
Text & Fotos: Dr. Henning Klingen