Joas: Moralischer Universalismus ist keine rein christliche Erfindung
Salzburg, 04.08.2025 (SHW) Mit einer soziologischen "Ernüchterung" hat der bekannte deutsche Religionssoziologe Hans Joas am Montag die heurigen "Salzburger Hochschulwochen" inhaltlich eröffnet. Beim "moralischen Universalismus" handle es sich keineswegs, wie gern behauptet, um eine exklusive westliche, europäische oder gar christliche Errungenschaft, sagte Joas bei seinem Vortrag an der Universität Salzburg. Vielmehr habe sich dieser Universalismus, der als ein verbindendes Ethos weiterhin große Orientierungskraft besitze, in einem Zeitraum zwischen 800 und 200 v. Chr. in verschiedenen Kulturkreisen gleichermaßen herausgebildet. Es sei kein Platz für einen "europäischen, abendländischen Triumphalismus", so Joas, der sich damit der These von der "Achsenzeit" des Philosophen Karl Jaspers (1883-1969) anschloss.
In dieser Phase der "Achsenzeit" habe sich im antiken Israel mit den Propheten, im antiken Griechenland, im antiken China mit dem Konfuzianismus, in Indien mit dem Buddhismus sowie in der antiken Philosophie der Stoa und in Fortsetzung schließlich auch in der Entstehung des Christentums jenes Ethos herausgebildet, das "im Wohl aller Menschen einen zentralen Bezugspunkt für unsere moralischen und politischen Überlegungen sieht", so Joas, der zu diesem Thema u. a. sein jüngstes Buch "Universalismus. Weltherrschaft und Menschheitsethos" publiziert hat. Das Beharren auf diesem Universalismus bedeute nicht, dass sich faktisch auch tatsächlich alle Menschen daran hielten - es solle nur aufgezeigt werden, dass die über den unmittelbaren persönlichen Umkreis hinausgehende Sorge um die Nächsten sowie auch um zukünftige Generationen einen kulturell und religiös tief eingeschriebenen Orientierungsrahmen darstellt.
Heute werde dieser Universalismus vermehrt angegriffen - etwa dort, wo die Menschenrechte in ihrer universellen Gültigkeit infrage gestellt werden. Dagegen gelte es, auf eben diese tief reichenden Wurzeln des moralischen Universalismus hinzuweisen. Außerdem müsse man deutlich machen, dass der moralische Universalismus sich gerade als Antwort auf imperiale Ideen politischer Weltherrschaft herausgebildet habe, so Joas.
Text & Fotos: Dr. Henning Klingen